Unsere Nockenwelle, die „Heilige Kuh“…

….und, ist die Nockenwelle noch gut ? - „Augenroll“& „Stirnrunzel“, dann zögerliche „Ja’s“ oder „Nein’s“ bis vor einiger Zeit bei den zu überholenden Motoren. Sind die Nockenwellen-Laufflächen der alten Welle mit Riefen verunziert oder ist sogar Material herausgebrochen, ist der Fall klar: Eine Neue muss her! Dank unseres Clubs heutzutage auch kein Problem mehr.

Befindet sich die Gleitfläche der Nockenwelle jedoch in einem guten Zustand, wie siehts aber mit der Form der An- und Ablauffläche aus ? Die noch verbliebene Nockenhöhe spielt eine grosse Rolle, jedoch keine alleinige.

Als mir der Motor von Frank’s Sportroller aus den 60ern in die Hände geriet, erfuhr ich, dass hier noch eine wenig gelaufene sog. „Werks-Sportnockenwelle“ drinstecken sollte; also ein Originalteil aus dieser Zeit, und das verbürgt.

 

Dieser Fakt weckte mich dann vollends auf; auch, weil sich allerhand Informationen, Behauptungen und legendenartige Erzählungen in den Heinkel-Kreisen fanden.

Nicht zuletzt, neben der Motor-Grundüberholung, wollten wir dieser Welle, offenbar ein sehr seltenes Exemplar, ihr Geheimnis entlocken. Also bastelte ich mir eine NW-Messvorrichtung

Bild 1: Werkstatt 2015 Nockenwelle_1

Der OT wurde festgelegt, Aus- und Einlass alle 5° KWW (Kurbelwellenwinkel), das sind 2,5°NWW, auf 0,005mm genau gemessen, diese Werte in „Exel“ eingegeben und heraus kamen wunderschöne Diagramme, vom Programm freundlich interpoliert.

Bild 2: Werkstatt 2015 Nockenwelle_2

An der Nockenhöhe war bereits per Schublehre (deutsch: Mess-Schieber) zu erkennen, dass hier keine Standardwelle vorlag. Und die sonstigen Werte ? Wie waren diese zu verstehen ? --- Langsam begannen sich die ersten Nebel zu lichten.

Aus meinem Sammelsurium konnte ich eine gebrauchte NW ausgraben, welche noch eine gute Nockenhöhe sowie geringe Laufspuren zeigte.

Bild 3: Werkstatt 2015 Nockenwelle_3

Das sah nun schon wesentlich zahmer aus und weniger giftig als bei Frank’s Sportnockenwelle.

Der sog. Zufall wollte es, dass ich unserem Gundolf eine (oder waren’s zwei…?) Flaschen „Trollinger-Lemberger“ für eine Gute Tat vorbeibrachte. Der Wein stammt übrigens auch aus Lauffen, der Hölderlin-Stadt am Neckar. Eine kleine Familien Weinkellerei dort ist die Quelle. (Link:  Lauffen am Neckar - Portal)

Bei dieser Gelegenheit legte Gundolf eine nagelneue Original-Nockenwelle –mit angebändseltem Original Preisschild auf den Tisch ! Man beachte den Preis ! (..und wir hatten die Flasche noch gar nicht geöffnet..) Nicht nur war meine klammheimliche „Schatzsuche“ also doch noch erfolgreich,vor allem durfte ich diesen Schatz auch noch zur Messwertaufnahme mitnehmen.

Bild 4: Werkstatt 2015 Nockenwelle_4

Also: Rein in das Messgehäuse, Messuhr drauf und siehe da, fast identisch zu meiner „KS-gebr.NW“ im Bild zuvor. 

Bild 5: Werkstatt 2015 Nockenwelle_5

Nach diesen Messungen wurden noch, sicherheitshalber, die Daten von weiteren, gelaufenen NW genommen. Abgesehen vom unterschiedlichen Verschleiss der Vergleichswellen, liess sich nun endlich sagen: Wir hatten dank Gundolf eine neue Original-Nockenwelle in den Händen und damit endlich definitive Neuwerte der früheren Standard-Nockenwelle unserer Rollermotore. Allerdings sollen die früheren Motore bis zur Nummer 456.177 mit einer symetrischen Nockenwelle ausgerüstet gewesen sein. Bisher ist mir noch keine untergekommen. Die anfänglich flachen Schlepphebel wurden dann in weiteren Motoren auch recht bald gegen die -heutigen- balligen Hebel ersetzt.

Als kleiner Zwischenruf: ein von mir grundüberholter und mit neuer Standard-Club-NW -sie wurde, zum Original gesehen, leicht modifiziert- sowie neuen Club-Schlepphebeln und Schlepphebel-Achse ausgestatteter Motor zeigte nach ca. 18.000km Laufleistung einen minimalen Verschleiss an NW und SH von < 0,01mm, also „Nix“. Allerdings wurde regelmässiger Ölwechsel mit unlegiertem Öl durchgeführt.

Nun der Vergleich dreier Nockenwellen.

1: Frank,SportNW aus den 60er Jahren, wenig gelaufen,

2: KS,Original, wenig gelaufen

3: Gundolf, Original 60er Jahre, Neu

Bild 6: Werkstatt 2015 Nockenwelle_6

Manchmal kann Neugier auch in Arbeit ausarten. Aber das spielte in dieser Aufregung kaum noch eine Rolle.

Nun steckte ich nacheinander die (vorsichtshalber ein zweites Mal) „FN-WerkssportNW,us“ sowie eine „Club-Sport-NW-neu“ in das Messgehäuse, meldete mich für ein paar Stunden bei meiner Frau ab und –Voila- hier ist das Ergebnis. 

Bild 7: Werkstatt 2015 Nockenwelle_7

Von Gundolfs Original NW liess ich eine kleine Serie nachfertigen. Das erste Muster ist in einem grundüberholten Motor verbaut und soll nur noch erprobt werden. (Hallo Volker, gib mal Gas, aber pass auf Eure Hühner auf oder sperr sie besser gleich ein…)

Selbstverständlich müssen zum Vergleich der NW im Alltags- oder Vergleichsbetrieb dann auch jeweils ähnliche / vergleichbare Verhältnisse im Restmotor vorliegen, wie z.B.Original-Ventilgrösse, Standard-Vergaser, Standard-Kolben, Standard-Schalldämpfer, Kompressionsdruck, sonstige Einstellungen usw.

Die NW-Diagramme zeigten bisher die Nockenerhebung in Abhängigkeit vom Kurbelwellendrehwinkel resp. NWW.

Da unsere Kipphebel das Übersetzungsverhältnis von ca. 1 zu 1,3 besitzen, ergeben sich für die Ventilbewegungen entsprechende Verläufe. Hier ein Bild der gebastelten „Ventil-Erhebungs-Messvorrichtung“.

Bild 8: Werkstatt 2015 Nockenwelle_8

Dann folgend die „Gund-Original-Neu-NW“, deren Erhebungen, sowie die daraus resultierenden Ventil-Erhebungen. Das Ventilspiel wurde „gegen Null“ eingestellt. D.h., das später einzustellende Ventilspiel muss beim Betrachten des Diagrammes berücksichtigt werden.

Bild 9: Werkstatt 2015 Nockenwelle_9

 Apropos Ventile, hier ein paar Auszüge aus Fachseiten:

"Die Ventilsteuerung regelt den Einlass der Frischgase und den Auslass der Verbrennungsgase."

"Das Einlassventil öffnet vor dem oberen und schliesst nach dem unteren Totpunkt. Das Auslassventil öffnet vor dem unteren und schliesst nach dem oberen Totpunkt."

"Das Auslassventil öffnet bereits vor UT, damit die Gase entspannt werden. Dadurch sinkt der Druck und der Kolben kann ohne Belastung wenden. Das Auslassventil schliesst erst nach OT, damit die Altgase vollständig ausgestossen werden."

"Das Einlassventil öffnet schon, bevor das Auslassventil geschlossen ist. Kurze Zeit sind beide Ventile geöffnet. Das stellt die ‚Ventilüberschneidung’ dar."

"Bei einem zu kleinen Ventilspiel öffnen die Ventile zu früh und schliessen zu spät, bzw. evtl. auch nicht ganz."

"Bei einem zu grossen Ventilspiel öffnen die Ventile zu spät und schliessen zu früh."

"Bei einem zu grossen Ventilspiel gelangen zu wenig Frischgase in den Zylinder. Die Motorleistung sinkt."

"Bei einem zu kleinen Ventilspiel kommt es ebenfalls zu Leistungsverlusten, wenn das Ventil nicht mehr voll schliesst."

Die Fachliteratur besagt auch, dass bei Fahrzeugen, welche im normalen Strassenverkehr eingesetzt werden, der Leerlauf noch stabil, und die Abgasqualität im Leerlauf und im unteren Teillastbereich noch tüv-abnahmefähig ;-) sein soll, auf einen genügend kleinen Ventilhub im OT zu achten sei. Diese verschiedenen Ventilüberschneidungen und-Hübe zeigt das Bild 6 recht schön.

„Sport-Nockenwellen“ öffnen die Ventile weiter und länger, die Ventilüberschneidung wird grösser. Dadurch wird, -bei hohen Drehzahlen- die Füllung verbessert. Die grosse Überschneidung bewirkt jedoch eine stärkere Mischung des Frischgases mit den Altgasen. Der Leerlauf wird unruhig oder gar bei geringer Drehzahl überhaupt nicht mehr möglich.

Das ist auch bei Frank’s Motor zu beobachten. Ein unruhiger Leerlauf noch bei etwa 1000 Umdr/min. Das mag aber gleichzeitig auch dem grossen Durchmesser des Vergasers anzulasten sein. Die Luftgeschwindigkeit am Eintrittsdurchmesser ist, zumindest bei Leerlaufdrehzahlen, recht gering, der dadurch geringere Unterdruck wird also ungerne Sprit aus dem Leerlaufbereich heraussaugen. Hier erkennen wir plötzlich den Grund der „Am Gasgriff-Spieler“ neben uns an der Ampel.

Dass Frank’s Sportroller nicht nur per Nockenwelle mehr Leistung verordnet bekam, wird jedem klar sein. Darauf hier noch einzugehen, würde die Lesergeduld ungebührlich strapazieren.

Darum auch nur noch ein Leckerlie: Frank überliess mir ein paar Original-Ventilfedersätze, gebrauchte und ungebrauchte; ebenfalls aus den 60er Jahren. Schätze !!! Da ich die hohe Komplexität eines Ventiltriebs zu begreifen begann, verglich ich diese Federn in –ja, wieder eine- einer gebastelten Messvorrichtung mit gebrauchten Original- sowie Neuzeitlichen Neufedern.. Das sollte ggfs eine spätere Geschichte wert sein?

Zum Abschluss, -auch, damit Andere sich Arbeit und Aufwand sparen können-: recht früh hatte ich überlegt, wie die Masse des Ventiltriebs zu verringern wäre. Der Gedanke war, durch eine kleinere Masse den gesamten Trieb zu schonen. Aus einer Titan-Legierung welche im Rennsport (nein, im Ernst jetzt ;-) hohe Festigkeit bewiesen hatte, wurden ein paar obere Ventilfederteller gedreht.

Bild 10: Werkstatt 2015 Nockenwelle_10

Der Original Federteller-Oben wiegt etwa 16,7 Gramm, je nach Verschleiss. Der Titanteller bei gleichen Abmessungen etwa 12,1 Gramm. Nach einer Saison und einigen tsd Kilometern stellte ich fest, dass die Klemmhälften um einige Hundertstel Millimeter „eingesackt“ waren. Und das trotz hoher Festigkeit der Titan-Legierung. Des Rätsels Lösung sind die verschiedenen Ausdehnungskoeffizienten der beiden Metalle. Der Teller dehnt sich bei den herrschenden Temperaturen mehr aus als die Stahlteile. Bei konischem Druck der Klemmhälften mitsamt den stetigen Temperaturwechseln ist dann ein Einschnüren und damit ein Weiten erklärbar.

Gescheitert ist mein Versuch, die Stösselstangen aus der besagten Titanlegierung herzustellen. Diese Überlegung entsprang weniger dem „Gewichts/Masse-Gedanken“, sondern die höhere Festigkeit gegenüber Aluminium sollte das Schwingen der Stangen bei gewissen Drehzahlen verhindern. Dieses Rohrmass, dünnwandiger als unsere Alustangen, konnte ich ganz einfach nicht auftreiben.

All diese Zeilen sind ein Teil des Kondensats vieler an der Werk-und Drehbank verbrachten Stunden. Sehr sinnvoll empfände ich, könnten sich weitere Heinkel-Freunde zu diesem Thema äussern, ihre Erfahrungen, Verbesserungen, Ihre Gedanken dazu hergeben.

(Alle Angaben sind ohne Gewähr; ausserdem: „Wer viel mißt, misst Mist !“ Ganz alter Spruch…)

In diesem Sinne: null-zwanzig // null-fuffzehn, so sollte es gehen ! (Klaus-HCD-3072)

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